Nur etwa 20 % aller Ski- und Snowboardunfälle sind Kollisionen mit anderen Wintersportlern. Der Rest sind Alleinunfälle aufgrund zu hoher Geschwindigkeiten, fehlender Konzentration, Müdigkeit sowie mangelnder Fitness und Selbstüberschätzung. In Frankreich werden seit Jahren Workshops angeboten, in denen auf die Risiken der Geschwindigkeit beim Skifahren und die Wichtigkeit des Skihelms aufmerksam gemacht wird. Snowplaza hat Details zu diesem Projekt und Fakten zu Geschwindigkeiten und Sicherheit beim alpinen Wintersport.
Kennst du deine Geschwindigkeit beim Skifahren?
Einfach nur die Piste hinunterrasen, sodass einem vom Fahrtwind Tränen in die Augen schießen, ist für viele Ski- und SnowboardfahrerInnen das Nonplusultra. Doch, so groß der Spaßfaktor bei einer solch rasanten Abfahrt ist, so hoch sind auch die Risiken. Die erhöhen sich nämlich proportional zum Tempo, mit dem man als Wintersportler unterwegs ist. Um SkifahrerInnen und SnowboarderInnen für ihr Tempo und die damit verbundenen Gefahren zu sensibilisieren, gibt es in den französischen Alpen die Xspeed Ski Tour.
Fakten zu Geschwindigkeiten auf der Piste
Professionelle Skirennläufer fahren 150-160 Kilometer pro Stunde auf der Rennstrecke und Speedskiing Profis knacken auch gerne die 200er-Marke. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass bei den meisten FIS-Wettkämpfen die Piste von nur einem Skirennläufer befahren wird. Amateur-Skifahrer und -Snowboarder fahren auf einigen Abfahrten bis zu 80 km/h schnell. Natürlich sind auch immer andere Personen auf der Piste unterwegs, die eine Gefahr darstellen. Eine Kollision bei dieser Geschwindigkeit, mit Mensch, Baum oder Seilbahnstütze, entspricht einem Sturz aus dem 8. Stock. Der Direktor des österreichischen Kuratoriums für Verkehrssicherheit, Dr. Othmar Thann hat dazu eine klare Meinung: SkifahrerInnen und SnowboarderInnen, die mit solchen Geschwindigkeiten unterwegs sind, riskieren nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihr Leben und das von anderen.
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Spannendes Projekt zur Sensibilisierung in Sachen Geschwindigkeit
In diversen Skiorten Frankreichs will Xavier Cousseau, 10-facher Weltrekordhalter im Speedskiing, mit seiner Xspeed Ski Tour auf die Selbsteinschätzung und die Risiken von hohem Tempo beim Skifahren aufmerksam machen. Durchschnittliche Wintersportler haben in der Regel keine Ahnung mit welchem Tempo sie eine Abfahrt runterfahren. Zu diesem Zweck baut Xavier Cousseau regelmäßig auf einer, eigens für seine Xspeed Ski Tour abgesperrten Piste, eine Station zur Geschwindigkeitsmessung auf. In Alpe d'Huez testeten unlängst diverse Wintersportler auf dieser speziellen Abfahrt ihre Schnelligkeit. Ein Siebenjähriger raste mit unglaublichen 64 km/h die Piste hinunter und hatte gar nicht das Gefühl, so schnell unterwegs zu sein, auch wenn er am Ende natürlich doch sehr stolz auf sein Ergebnis war.
Mit 89 km/h auf der Piste
Die Mutter des kleinen Speed-Cracks war mit knapp 90 km/h auch nicht gerade langsam und hatte ihr Tempo auf 65 km/h ebenso falsch eingeschätzt. Bei dem Gedanken an einen Autounfall mit einem solchen Tempo, wurde ihr jedoch mulmig zumute. Das führt einem richtig vor Augen, welchem Risiko man sich bei solchen Geschwindigkeiten auf der Piste aussetzt. Hierzulande fahren die Fahrzeuge beim Crashtest meist mit „nur“ 50 Kilometern pro Stunde gegen eine Wand und haben danach einen Totalschaden. Im Vergleich zum Menschen sind Autos aus stabilem Metall und mit einem extra eingebauten Schutzkäfig für die Insassen versehen. Dagegen ist ein Ski- oder Snowboardfahrer bei solchen Geschwindigkeiten sehr vulnerabel und ohne Helm fast schutzlos. Was bei einem Autounfall bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h passiert, siehst du hier im Crashtest:
Die meisten Skifahrer unterschätzen ihre Geschwindigkeit
Fast alle Teilnehmer der Xspeed Ski Tour waren überrascht, als sie ihre Geschwindigkeit auf der Anzeigetafel sahen. Sie alle hatten ihr Tempo unterschätzt, was keine Seltenheit ist, laut Xavier Cousseau. Fragt man den Extremsportler, sind die meisten Ski- und SnowboardfahrerInnen, die bei der Tour mitmachen, mehr als 15 oder 20 km/h schneller unterwegs, als sie glauben. Das falsche Einschätzen des Abfahrtstempos hänge damit zusammen, dass heutzutage die Skier gut gewachst sind und die Pisten so glatt und perfekt präpariert, dass man seine tatsächliche Geschwindigkeit nicht mehr richtig wahrnimmt. Das Feedback für die Xspeed Tour Geschwindigkeitsmessung war sehr positiv. Die meisten Teilnehmer waren dankbar, sich bewusst zu machen, welche Gefahren dieses hohe Tempo birgt und wie sie sich und andere besser schützen können.
Miss deinen Speed beim Skifahren
Wenn auch du deine Geschwindigkeit auf der Piste messen möchtest, lohnt sich eine Reise nach Frankreich. Xavier Cousseau ist mit seiner Xspeed Ski Tour jeden Winter an etwa 50 Stationen in den französischen Alpen. Die kostenlosen Events zur Geschwindigkeitsmessung finden auf abgesperrten Strecken in verschiedenen Skigebieten statt. Skifahrer, Monoskifahrer, Snowboarder, Telemarker oder Handiskifahrer können einfach ohne Anmeldung herausfinden, wie schnell sie wirklich unterwegs sind. Ein Helm ist für die Teilnahme verpflichtend. Wer nicht nach Frankreich will, kann auch in vielen anderen Skigebieten die Speed-Checks nutzen.
Helmpflicht für alle?
Wer jetzt noch glaubt, ohne Helm fahren zu können, sollte sich ein paar Statistiken zu Gemüte führen. Durch das Tragen eines Skihelms beim Skifahren und Snowboarden können 80 % aller Kopfverletzungen auf der Piste verhindert werden. Der Helm verringert bei einem Aufprall zudem das Risiko eines Schädel-Hirn-Traumas um 30 % bis 40 %. Wer hier, um seine Helmverweigerung zu untermauern, auf den Skiunfall von Michael Schumacher verweist, der selbstverständlich mit Helm unterwegs war, dem sei gesagt, dass der Formel 1 Rennfahrer einfach unfassbares Pech gehabt hat, da sich bei seinem Sturz seine Actioncam durch den Helm in seinen Kopf gebohrt hat.
Der Althaus-Effekt
Mittlerweile sind zum Glück immer weniger Wintersportler ohne Helm auf den Pisten unterwegs und dank guter Aufklärung sinkt die Zahl der Wintersportler ohne Kopfschutz immer weiter. In Deutschland und Österreich liegt diese positive Entwicklung unter anderem an dem schweren Skiunfall des ehemaligen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus. Er war am 01. Januar 2009 in Österreich in einen schweren Skiunfall verwickelt, bei dem eine Skifahrerin ohne Helm ums Leben kam, während Althaus als Helmträger überlebte. Nach diesem Unfall kam es in den Medien zu einer großen Debatte über den Nutzen von Skihelmen und zur Helmpflicht.
Tipps für mehr Sicherheit, auch bei hohem Tempo:
- Regelmäßige Pausen einlegen, um Überforderung und Übermüdung vorzubeugen
- Jeder Wintersportler sollte sein Limit kennen
- Keinen Alkohol auf der Piste
- Ein gesundes Bewusstsein für die eigene Geschwindigkeit entwickeln
- Ein Skihelm als Kopfschutz sollte immer dabei sein
- Einhaltung der FIS-Regeln beim Skifahren und Snowboarden